4. MA Thesis

Moderne Ruinen – ein spekulatives Projekt Igli Papa

Projekttext

Moderne Ruinen
Die Arbeit bewegt sich im architekturtheoretischen und -historischen Referenzraum von »modernen Ruinen«. Das Thema ist im kulturgeschichtlichen Diskurs aktuell – gestern wie heute. So kennt die Ruine als Denkfigur und architektonisches Konzept keine allgemeingültige Definition. Diese verändert sich mit der Zeit stetig und ist von temporärer Gültigkeit. Anhand einer Vielzahl von Ruinen werden Strukturmerkmale, Zusammenhänge unterschiedlicher Termini (wie pittoreske und Pornografie) und verborgene Qualitäten untersucht. Ein ständiger Abgleich mit Praxisbezügen aus der bildenden Kunst belegt die Erkenntnisse und Positionen. Die Idee ist, Handlungskonzepte zu gewinnen und die Anwendbarkeit in der architektonischen Wirklichkeit durch einen Eigenversuch zu überprüfen. Das Augenmerk liegt dabei auf einem erzählenden und darstellenden Medium von Architektur. Hilfsmittel und strukturbildendes Element ist die Verwendung von Sprachbildern. Das Projekt verhandelt »moderne Ruinen« ohne dabei historisches Bewusstsein zu untergraben. Es handelt sich um jene Ruinen, die im Sinne des Denkmalschutzes zu jung sind, um als erhaltungswürdig eingestuft zu werden, bei denen historische Konzepte nicht greifen (ästhetische Wahrnehmung) und deren Substanz und Bauweise dem natürlichen Verfall entgegenwirken. In ihrer Summe eröffnen die einzelnen Bausteine des Projekts ein diskursives Feld und führen zu einer eigenen Position. Gegen Abriss – Tabula rasa. Für Erhalt – Verwandlung.

Wandlungsanweisungen
Denke ich an Funktion, denke ich an Design, denke ich an einen Stuhl. Ein Stuhl auf vier Beinen als Prototyp von Funktion. Ist ein Stuhl auf zwei Beinen weniger funktional? Wann wird etwas unbrauchbar? Was macht die Dinge schützenswert? Wie nutzen wir die Fragmente? Wie dekonstruieren wir die Denkmäler? Marcel Duchamp stellte einst ein Vorderrad auf einen Stuhl – einen hölzernen Küchenhocker (Fahrrad-Rad, 1913). Eine spielerische Geste. Sitzen konnte niemand mehr. Doch aus dem Hocker wurde etwas Neues mit einer anderen Funktion, ein Ding was Geschichte schreibt. »One and three chairs« aus dem Jahr 1965 von Joseph Konsuth zeigt ikonisch was ein Ding sein kann; in seiner Beschreibung, seiner Abbildung und seinem Wesen. In meiner Arbeit erforsche ich, was die Dinge werden können. Anhand von neun Fotografien wird eine beispielhafte Umsetzung jener zuvor im Thesaurus definierter Strategien und Wirkungsprinzipien dargestellt. Es handelt sich hierbei um die Begriffe des Thesaurus mit dem größten Potenzial im Umgang mit »modernen Ruinen«. Unter Zuhilfenahme eines aussortierten Alltagsgegenstandes wird durch skulpturales Handeln formuliert, wie eine Umwandlung und ein Weiterdenken von Form und Funktion im Feld der Architektur aussehen kann. Der wandelbare Charakter des Subjekts wird hervorgehoben. Das Anwenden der Strategien veranschaulicht die Umsetzbarkeit und ermutigt zur Nachahmung. Das Format des Eigenversuchs ist geprägt von einem experimentellen und spekulativen Zugang. In die künstlerische Tätigkeit fließen Wahrnehmungen und Erfahrungen der gebauten Umwelt ein. Das Ergebnis ist eine Narration voller Verschiebungen und Brüche. Durch seine Verwandlung funktioniert der Stuhl in diversen Situationen.

Dozenten

  • Prof. Dr. Claudia Kromrei
  • Prof. Dr. Christian von Wissel

Jahr

2020